Führung ist anspruchsvoll. Entscheidungen treffen, Teams leiten und in komplexen Situationen einen kühlen Kopf bewahren – all das fordert nicht nur Fachwissen, sondern auch emotionale Intelligenz. Ein oft unterschätzter Aspekt der emotionalen Intelligenz ist Selbstmitgefühl. Doch was bedeutet das konkret, und warum ist es für Führung so wichtig?
Was ist Selbstmitgefühl?
Selbstmitgefühl beschreibt die Fähigkeit, sich selbst mit derselben Freundlichkeit, Verständnis und Geduld zu begegnen, die wir auch anderen entgegenbringen würden. Es beinhaltet:
Selbstfreundlichkeit: Sich selbst gegenüber nicht überkritisch zu sein.
Geteilte Menschlichkeit: Zu erkennen, dass Fehler und Schwierigkeiten Teil des Menschseins sind.
Achtsamkeit: Emotionen wahrzunehmen, ohne sie zu verdrängen oder sich in ihnen zu verlieren (Neff, 2003).
Im Kontext von Führung bedeutet dies, dass man in stressigen oder herausfordernden Situationen mit sich selbst genauso respektvoll umgeht wie mit einem geschätzten Kollegen oder Mitarbeiter.
Warum ist Selbstmitgefühl für Führung wichtig?
Führungskräfte stehen unter ständigem Druck. Entscheidungen müssen schnell getroffen, Konflikte gelöst und Ziele erreicht werden. Dieser Druck kann zu Selbstkritik, Perfektionismus und emotionaler Erschöpfung führen. Studien zeigen, dass Selbstmitgefühl einen entscheidenden Beitrag zur emotionalen Resilienz leistet (Neff & Germer, 2013). Es hilft, Stress zu bewältigen, Fehler als Lernchancen zu betrachten und in schwierigen Situationen handlungsfähig zu bleiben.
Die Vorteile von Selbstmitgefühl im Führungskontext
Emotionale Resilienz: Selbstmitgefühl reduziert die Auswirkungen von Stress und verhindert Burnout. Es stärkt die Fähigkeit, in herausfordernden Situationen ruhig und besonnen zu bleiben (Neff, 2011).
Authentizität: Führungskräfte, die sich selbst akzeptieren, fördern eine Kultur der Offenheit und Authentizität in ihrem Team. Das Vertrauen in ihre Führungsfähigkeiten wird dadurch gestärkt.
Bessere Entscheidungsfindung: Mitgefühl für sich selbst reduziert die Angst vor Fehlern und ermöglicht es, Entscheidungen klarer und objektiver zu treffen.
Konstruktiver Umgang mit Fehlern: Anstatt sich selbst zu verurteilen, wird der Fokus darauf gelegt, aus Fehlern zu lernen und weiterzumachen.
Selbstmitgefühl und NARM
Im Neuroaffektiven Beziehungsmodell (NARM) wird Selbstmitgefühl als grundlegender Bestandteil für persönliches Wachstum und zwischenmenschliche Beziehungen betrachtet. Durch die Arbeit an alten Schutzmustern lernen Führungskräfte, sich selbst und anderen mit mehr Verständnis zu begegnen. Diese Haltung verbessert nicht nur die Selbstregulation, sondern auch die Beziehungsgestaltung im Team.
Wissenschaftliche Perspektive
Neff (2003) und ihre Forschung haben gezeigt, dass Selbstmitgefühl die Stressverarbeitung verbessert, die emotionale Belastbarkeit erhöht und das allgemeine Wohlbefinden fördert. Eine weitere Studie von Reese et al. (2018) belegt, dass selbstmitgefühlsorientierte Interventionen zu einer besseren Führungsleistung beitragen können.
Fazit
Selbstmitgefühl ist keine Schwäche, sondern eine Schlüsselkompetenz für moderne Führung. Es hilft, mit Herausforderungen konstruktiv umzugehen, Resilienz aufzubauen und eine authentische, inspirierende Führungspersönlichkeit zu entwickeln. Durch Coaching, das Selbstmitgefühl und traumainformierte Ansätze wie NARM integriert, können Führungskräfte nicht nur beruflich, sondern auch persönlich wachsen.
Quellen:
Neff, K. D. (2003). Self-Compassion: An Alternative Conceptualization of a Healthy Attitude Toward Oneself. Self and Identity.
Neff, K. D., & Germer, C. K. (2013). A Pilot Study and Randomized Controlled Trial of the Mindful Self-Compassion Program. Journal of Clinical Psychology.
Reese, R., et al. (2018). The Impact of Self-Compassion on Leadership: An Empirical Investigation. Leadership Quarterly.
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