Das Neuroaffektive Beziehungsmodell (NARM) ist ein innovativer Ansatz, der sich sowohl in der (Trauma)Therapie als auch im Coaching wachsender Beliebtheit erfreut. Doch was unterscheidet NARM von anderen Methoden, und warum gilt es als so wegweisend?
Die Kernprinzipien von NARM
NARM wurde von Dr. Laurence Heller entwickelt und ist ein Ansatz, der sich auf die Auswirkungen von frühen Bindungserfahrungen auf die persönliche Entwicklung konzentriert. Es vereint Aspekte aus der modernen Neurobiologie, Bindungstheorie und somatischen Psychotherapie, um tief verwurzelte Schutzmuster zu erkennen und aufzulösen.
Die zentralen Merkmale von NARM:
Arbeit im Hier und Jetzt: Im Gegensatz zu traditionellen psychodynamischen Ansätzen, die oft die Vergangenheit analysieren, fokussiert NARM auf das, was im gegenwärtigen Moment geschieht. Es wird erforscht, wie alte Muster sich im Hier und Jetzt zeigen.
Ressourcenorientierung: NARM legt großen Wert auf die vorhandenen Stärken und Ressourcen der Klient*innen und baut darauf auf, um neue Wege des Handelns und Denkens zu etablieren, ohne dabei die Herausforderungen und Schweirigkeiten auszublenden.
Integration von Körper und Geist: Wie in vielen somatischen Ansätzen wird auch bei NARM die Verbindung zwischen körperlichen Empfindungen und emotionalen Erfahrungen genutzt, um nachhaltige Veränderungen zu erreichen.
Fokus auf Identität und Verbindung: NARM arbeitet mit der Frage, wie Menschen ihre Identität in Verbindung mit sich selbst und anderen erleben, und hilft, eine tiefere Selbstakzeptanz und Verbundenheit zu entwickeln.
Arbeit mit „Widerstand“ in NARM
In jedem Coaching- oder Therapieprozess kann „Widerstand“ auftreten – sei es in Form von Zögern, Abwehr oder sogar offener Vermeidung. Im Gegensatz zu vielen Methoden und Modellen behandelt NARM Widerstand allerdings nicht als Problem, das überwunden werden muss, sondern als Schutzmechanismus, der in der Vergangenheit eine wichtige Funktion hatte. Statt diesen direkt zu durchbrechen oder anderweitig dagegen zu arbeiten, wird im NARM-Ansatz mit Neugier und Mitgefühl erforscht, welche Bedürfnisse oder Ängste hinter dem „Widerstand“ stehen.
Dieser Ansatz erlaubt es Klient*innen, ihre Schutzstrategien selbst zu verstehen und schrittweise loszulassen, ohne Druck oder Zwang. Das Ergebnis ist oft eine tiefere Bereitschaft zur Veränderung und ein Gefühl der Selbstermächtigung.
Es geht nämlich nicht darum, Menschen zu optimieren, sie besser, Leistungsfähiger, etc. zu machen. Es geht darum, zu schauen, was kommt Dir innerlich in den Weg in Bezug auf das, was Du Dir wirklich für Dich wünscht. Dieser Perspektivwechsel kann erstmal unscheinbar wirken, ist für mich aber das, was NARM so revolutonär macht. Es geht also im bildlichen Sinne darum, die Steine und Staudämme aus dem Flussbett wieder abzubauen, damit der (innere) Fluss wieder so fließen kann, wie er es ursprünglich konnte. Es wird also davon ausgegangen, dass jeder Mensch die Fähigkeit in sich trägt, frei zu fließen und das es aber gute Gründe gab, warum wir unseren Fluss unterbrochen haben. Darin wird für mich ein zutiefst ressourcenorientierter und bestärkender Blick auf Menschen deutlich.

Wie unterscheidet sich NARM von anderen Ansätzen?
1. Im Vergleich zu psychodynamischen Therapieansätzen
Klassische psychodynamische oder psychoanalytische Ansätze fokussieren oft auf die detaillierte Analyse der Vergangenheit. Während dies aufschlussreich sein kann, bleibt es manchmal abstrakt und schwer in die Gegenwart zu übertragen. NARM hingegen beleuchtet, wie vergangene Erfahrungen aktuelle Herausforderungen beeinflussen, ohne in eine ausgedehnte Aufarbeitung der Vergangenheit einzutauchen. Dies ermöglicht Klient*innen, schneller praktische Veränderungen zu erleben. Denn es geht nicht darum die vergangenen (traumatischen) Erlebnisse immer wieder neu zu durchleben, sondern zu verstehen, wie wir uns daran angepasst haben und die Anpassungsstrategien im Hier-und-Jetzt fortführen und uns dadurch selber in den Weg kommen.
2. Im Vergleich zu kognitiven Ansätzen
Kognitive Ansätze wie die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) zielen darauf ab, dysfunktionale Denkmuster zu identifizieren und zu verändern. NARM erweitert diesen Fokus, indem es die zugrunde liegenden emotionalen und somatischen Reaktionen einbezieht, die nicht allein durch kognitive Interventionen adressiert werden können.
3. Im Vergleich zu anderen somatischen Methoden
Methoden wie Somatic Experiencing (SE) oder die Sensorimotorische Psychotherapie arbeiten intensiv mit körperlichen Empfindungen, um traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. NARM integriert diese somatische Arbeit, legt jedoch gleichzeitig einen starken Fokus auf die zwischenmenschliche Beziehung und die Entwicklung von Selbstverbindung. Es betont weniger die Verarbeitung spezifischer traumatischer Ereignisse und mehr die Transformation der sich in Antwort darauf entwickelten Schutzstrategien.
4. Im Vergleich zu systemischen Ansätzen
Systemische Ansätze betrachten vor allem die Dynamiken innerhalb von Beziehungen und Gruppen. NARM integriert diesen Blickwinkel, richtet jedoch den Fokus stärker darauf, wie die individuelle Beziehung zu sich selbst die Beziehungen zu anderen beeinflusst. Es geht also um die Frage, wie organisieren wir uns innerlich und verarbeiten dadurch die Informationen und Ereignisse im Außen.
Warum ist NARM so wirkungsvoll?
Nachhaltige Veränderungen: Da NARM auf tief verwurzelte Schutzmechanismen abzielt, die oft unbewusst wirken, führt es zu langfristigen und tiefgreifenden Veränderungen.
Breites Anwendungsspektrum: NARM eignet sich sowohl für die Arbeit mit traumatischen Erfahrungen als auch für persönliches Wachstum und Entwicklung. Im Coaching-Kontext hilft es beispielsweise Führungspersonen, alte Muster zu erkennen und neue Wege des Handelns zu finden.
Kombination aus Wissenschaft und Menschlichkeit: Der Ansatz basiert auf neuesten neurobiologischen Erkenntnissen und ist gleichzeitig zutiefst menschlich und mitfühlend - denn im Kern ist NARM eine Haltung und keine strenge und manualisierte Abfolge von Schritten. Passender ist das Bild einer Landkarte, die uns dabei hilft, uns selber tiefer zu erforschen, verstehen und zu entfalten.
Wissenschaftliche Perspektive
Neurobiologische Grundlagen: Laut Porges (2011) zeigt die Polyvagal-Theorie, wie das autonome Nervensystem auf soziale Bindungen und Stress reagiert. NARM nutzt dieses Wissen, um Schutzmuster zu verstehen und zu transformieren.
Bindung und Entwicklung: Forschungen von Schore (2012) betonen die Bedeutung früher Bindungserfahrungen für die emotionale Entwicklung. NARM integriert diese Erkenntnisse, um dysfunktionale Muster zu bearbeiten.
Somatische Psychotherapie: Studien von Ogden et al. (2006) zeigen, wie die Integration von Körperempfindungen in die therapeutische Arbeit zu nachhaltigeren Ergebnissen führt. NARM erweitert diesen Ansatz durch seinen Fokus auf Selbstverbindung und Beziehung.
Fazit
NARM ist mehr als nur eine Methode – es ist ein paradigmatischer Ansatz / eine Haltung, wodurch die Art und Weise, wie wir Coaching und Therapie verstehen, revolutioniert wird. Indem es den Fokus auf Selbstverbindung, Ressourcen und die Arbeit im Hier und Jetzt legt, bietet es einen kraftvollen Rahmen für tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen.
Wenn du neugierig bist, wie NARM deine persönliche oder berufliche Entwicklung unterstützen kann, erfahre mehr auf meiner Website oder lass uns ins Gespräch kommen.
Quellen zum vertiefen:
Ogden, P., Minton, K., & Pain, C. (2006). Trauma and the Body: A Sensorimotor Approach to Psychotherapy. W. W. Norton & Company.
Porges, S. W. (2011). The Polyvagal Theory: Neurophysiological Foundations of Emotions, Attachment, Communication, and Self-Regulation. W. W. Norton & Company.
Schore, A. N. (2012). The Science of the Art of Psychotherapy. W. W. Norton & Company.
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